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In 80 Tagen durch die Antarktis

2000 Meilen mit Skiern und Gleitschirm durch die Antarktis: Im Interview berichtet Martina Heer, Studiengangsleiterin für Ernährungswissenschaften, von zwei Abenteurern, die sie für eine Forschungsexpedition als Expertin beraten hat. Außerdem gibt sie Ernährungstipps für Deinen nächsten Prüfungsmarathon.  

(Bildnachweise: © Justin Packshaw & Jamie Facer-Childs)

Sie haben die ernährungswissenschaftliche Beratung von zwei Sportlern übernommen, die derzeit die Antarktis durchqueren: Können Sie dieses Projekt kurz vorstellen?

Martina HeerDie Forschungsexpedition wird von zwei britischen Abenteurern, Justin Packshaw und  Jamie Facer-Childs, durchgeführt. Nach meinen Informationen sind die beiden am 28.10. gestartet. Sie wollen den Südpol von der einen Küste zur anderen durchqueren – in ca. 80 Tagen etwa 2000 Meilen mit Skiern und Gleitschirm über das Zentrum des Südpols, den sogenannten „Southern Pole of Inaccessability“. Dabei werden sie einen Höhenunterschied von 3350 Metern überwinden. Das Team wird keinerlei zusätzliche mechanische Unterstützung bekommen. Nur der Wind und ihre eigene Körperkraft wird sie fortbewegen. Dabei ist die Dauer von 80 Tagen eine prognostizierte Zeit. Sollte der Wind optimal sein, werden sie entsprechend früher ankommen. Falls er sehr suboptimal ist, wird sich die Expedition verlängern. In jedem Fall erfolgt die Expedition klimafreundlich und CO2-neutral. Dabei muss man sich vorstellen, dass diese zwar im antarktischen Sommer erfolgt, aber dort immer noch Minusgrade von bis zu -50° C herrschen. Die beiden Abenteurer müssen die gesamte Ausstattung und Essen mitführen und lassen auch keinen Abfall zurück. Letzteres ist ein ungeschriebenes Gesetz für alle, die derartige Expeditionen durch die Antarktis unternehmen.

Worauf muss man aus ernährungswissenschaftlicher Sicht bei einer solchen Extremsituation für den Körper besonders achten?

Martina Heer: Wenn man sich überlegt, welche Leistung diese beiden Abenteurer erbringen müssen, so ist es die größte Herausforderung die nötigen Kalorien bereitzustellen, die sie für die körperliche Anstrengung benötigen. Das ist eine ganz andere Frage, als die meisten Ernährungswissenschaftler:innen üblicherweise behandeln, nämlich die, welche Art der Kost man Menschen mit Übergewicht empfehlen sollte. Wie gesagt, je nach Windverhältnissen variiert die körperliche Aktivität. Bei optimalen Windverhältnissen wird sie der Gleitschirm auf ihren Skiern davontragen. Sollte Windstille herrschen, müssen sie deutlich mehr Kraft aufbringen, um voranzukommen. Im letzteren Fall kann die tägliche Energiemenge, die sie benötigen, leicht bei etwa 7000 – 8000 kcal pro Tag liegen. An Tagen, an denen der Wind ihnen wohlgesonnen ist, werden sie ca. 5000 kcal verbrauchen.

Bei einer solch hohen Energiezufuhr ist es natürlich deutlich leichter als bei einer Diät (Reduktionskost), die notwendigen Mengen an Mikronährstoffen – wie Vitamine und Mineralstoffe –  über die Nahrungsmittel zu erhalten. Wichtig ist zum Erhalt der Nährstoffe nur die Art der Zubereitung, die derart schonend sein muss, dass die Vitamine bei der Zubereitung nicht zerstört werden. Für ein Vitamin ist dies weniger bedeutend, nämlich Vitamin D. Der Vitamin D-Gehalt in Lebensmitteln ist im Allgemeinen nicht besonders hoch und über den Verzehr von Lebensmitteln können wir unseren Bedarf an Vitamin D nicht decken. Bei ausreichender Sonneneinstrahlung kann Vitamin D jedoch von unserem Körper synthetisiert werden. Wenn man nun an die Antarktis im Sommer denkt, so stellt man sich blauen Himmel und Sonnenschein vor – eigentlich ideale Bedingungen, um Vitamin D zu synthetisieren. Doch, wie bereits erwähnt, herrschen dort selbst im Sommer hohe Minustemperaturen. Die Abenteurer müssen daher nicht nur warm gekleidet sein, sondern auch ihr Gesicht vor der Kälte entsprechend schützen und werden daher kein Vitamin D synthetisieren können. Daher müssen sie 1000 IE Vitamin D täglich zusätzlich über ein Supplement einnehmen.

Welchen Ernährungsplan haben Sie auf dieser Basis ausgearbeitet?

Martina Heer: Wir haben mit einem Team zusammengearbeitet, das sich auf die Herstellung dehydrierter Nahrung spezialisiert hat. Dehydrierte Nahrung deswegen, da Wasser sehr schwer wäre und das Gewicht der Nahrung unnötig erhöhen würde. Wasser ist aber in Form von Schnee und Eis ubiquitär und in ausreichender Menge in der Antarktis vorhanden, sodass dieses nicht transportiert werden muss. Man benötigt nur einen kleinen Kocher, um das Eis zu schmelzen und für die Rehydrierung der Nahrung oder für Getränke bereitzustellen.

Bei einer Energiezufuhr von bis zu 8000 kcal täglich stellt das Volumen der Nahrung ein wesentliches Problem dar. Das bedeutet, dass man sich auf eine sogenannte Energiedichte Nahrung fokussiert. Energiedicht bedeutet in diesem Zusammenhang, dass circa 50-55 Prozent der täglich notwendigen Kalorien als Fett zugeführt werden. Fette haben mit 9 kcal pro Gramm den höchsten Energiegehalt und dabei ein vergleichsweise geringes Volumen. Dies ist vorteilhaft beim Verzehr und reduziert das Volumen der mitgeführten Nahrung. Dabei ist natürlich darauf zu achten, dass Produkte mit hochwertigen einfach- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren entwickelt werden. Es ist auch zu berücksichtigen, dass Produkte mit derartigen Fettsäuren üblicherweise schneller ranzig werden. Deshalb muss man hier gleichzeitig Zutaten mit einem hohen Anteil der entsprechenden Vitamine, die antioxidativ wirken können, in ausreichendem Maße mitverarbeiten.

Die anderen 45-50 Prozent der Energiezufuhr teilen sich auf in ca. 12-15 Prozent der Energie als Protein und der Rest Kohlenhydrate. Bei Letzteren geht es darum, die richtige Mischung zu finden. Es sollte eine ausreichende Menge an komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen in den Produkten enthalten sein, doch auch niedermolekulare Kohlenhydrate – also Zucker – sollten nicht gänzlich fehlen. Bei der Verteilung der Mahlzeiten – mit reichhaltigem Frühstück, Snacks und einem sehr reichhaltigen Abendessen – muss man sich überlegen, wie die über den Tag verteilten Snacks zusammengesetzt sein sollten. Hier empfiehlt es sich, einen kleinen Anteil an niedermolekularen Kohlenhydraten bereitzustellen, um die durch die körperliche Aktivität möglicherweise erniedrigte Blutglucosekonzentration sofort zu steigern. Jedoch sollte man diesen Anteil nicht zu hoch ansetzen, damit die Blutglucosekonzentration nicht sprunghaft ansteigt und Insulin – das Hormon, das dafür sorgt, dass die Glucose in die Zellen verschoben wird – in zu großen Mengen von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet wird. Dies würde zu einer überschießenden Reaktion, nämlich einer deutlichen Absenkung der Blutglucosekonzentration in kurzer Zeit, führen.

Im Snack sollten ebenfalls komplexe Kohlenhydrate und Fette enthalten sein, die eine langsame und kontinuierliche Bereitstellung von Kohlenhydraten garantieren. Die Ballaststoffe sind auch Nahrung für die Bakterienflora im Darm und tragen dafür Sorge, dass die Zusammenstellung der Mikrobiota im Darm optimal bleibt. Für Letzteres hat die Firma Symbiopharm zusätzlich das Probiotikum SymbioIntest®, welches resistente Stärke und Biotin enthält, bereitgestellt, um den Erhalt einer guten Zusammensetzung der Darmflora zu unterstützen. Die Auswahl der Gemüse- und Obstarten, die in den Produkten zu verarbeiten sind, erfolgte derart, dass ausreichende Mengen an Antioxidantien mit der Nahrung verzehrt werden.

Ein Prüfungsmarathon ist zwar keine Antarktisdurchquerung, haben Sie dennoch ein paar Ernährungstipps, die sich auch auf stressige Studienzeiten anwenden lassen?

Martina HeerEin Prüfungsmarathon ist definitiv keine Antarktisdurchquerung. Im Gegensatz zu den Abenteurern beläuft sich die körperliche Aktivität in dieser Phase meistens eher gegen Null. Nur in wenigen Ausnahmen wird in dieser anstrengenden Phase Zeit für Sport eingeplant. Daher ist in diesen Phasen eher das Problem, die Energiezufuhr dem eher niedrigen Energieumsatz anzupassen und dabei eine ausgewogene Ernährung – also den Empfehlungen entsprechende Mengen an unentbehrlichen Aminosäuren und essenziellen Fettsäuren sowie Vitaminen und Mineralstoffen – zu gewährleisten. Mit einer ausgewogenen Ernährung erhält man alle notwendigen Nährstoffe, die für Stresssituationen wie eine Prüfungsphase ausreichen, mit einer Ausnahme, nämlich Vitamin D. Dieses muss, genau wie bei den Antarktis-Abenteurern supplementiert werden. Für Superfood, welches derartige Situationen unterstützen soll – wie die Werbung gerne glaubhaft machen möchte –  gibt es bisher keine wissenschaftliche Evidenz. Hier würde ich unbedingt der Aussage von Prof. Hendrik Streeck von der Universität Bonn folgen, der auf die Frage, was man einnehmen sollte, um das Immunsystem zu stärken, antwortete: „Wenn man beispielsweise eine Multivitamintablette nimmt, produziert man leider hauptsächlich teuren Urin“ (Kölner Stadtanzeiger. 28.10.21).

 

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Ich bin seit März 2018 an der IU Internationalen Hochschule (IU) und Studiengangsleiterin für den Bachelor Ernährungswissenschaften (B.Sc.). Seit 1988 forsche ich zur Ernährung von Astronaut:innen, habe 20 Jahre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln gearbeitet und davon sechs Jahre die Abteilung ‚Weltraumphysiologie‘ geleitet. Meine aktuellen Forschungsinteressen belaufen sich auf die Interaktion von Ernährung, Immobilität und a) Knochenstoffwechsel sowie b) Kohlenhydratstoffwechsel. 

Prof. Dr. Martina Heer
IU Studiengangsleiterin für Ernährungswissenschaften